Aktivist*innen schrauben Lehnen von Sitzbänken ab München: Gegen Verdrängung von obdachlosen Menschen

Politik

Am 17. Januar haben Aktivist*innen am Marienplatz "defensive Architektur" in Form von Armlehnen an Bänken der Deutschen Bahn entfernt, um auf die Verdrängung von obdachlosen Menschen aufmerksam zu machen.

Demontage von Armlehnen an Bänken der Deutschen Bahn, Januar 2023.
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Demontage von Armlehnen an Bänken der Deutschen Bahn, Januar 2023. Foto: zVg

18. Januar 2023
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Dafür schraubten Aktivist*innen in Arbeitskleidung die Armlehnen am helllichten Tag ab und verwandelten so 23 Bänke im S-Bahnhof Marienplatz in Schlafplätze. Die Armlehnen verhinderten bisher, dass Menschen auf den Bänken übernachten können.

Die Aktivist*innen gehören keiner Partei oder festen Organisation an, sondern haben sich aus Wut über den Umgang mit Obdachlosigkeit spontan zusammengefunden. “Statt darauf zu warten, dass Parteien unsere Probleme lösen, nehmen wir die Dinge selbst in die Hand”, so die Aktivist*innen in einem anonymen Statement. “Wir haben in den vegangenen Jahren immer wieder gesehen, dass Geld da ist, wenn es benötigt wird. Statt allen Menschen das Grundbedürfnis nach bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen, werden lieber 100 Milliarden an Steuergeldern für Aufrüstung und Militär ausgegeben. Dahingegen bleibt die prekäre Lebenssituation von obdachlos gewordenen Menschen während der Pandemie - wie auch sonst - oft unsichtbar.

Die Deutsche Bahn installierte die Armlehnen im Rahmen der Modernisierungsmassnahmen in München seit dem 2. Quartal 2019 in vielen unterirdischen S-Bahnhöfen. Zuvor suchten Menschen dort besonders im Winter Schutz vor Kälte und Nässe.

Offiziell erfolgten die Modernisierungsmassnahmen/das Umbauen der Bänke zum Zwecke der Kundenzufriedenheit, allerdings werden Armlehnen wie diese von Sub-Firmen damit beworben, dass Menschen dann dort nicht mehr liegen können. So heisst es etwa in einer Broschüre der Firma METDRA: “Die optionalen Armlehnen ermöglichen ein leichtes Aufstehen und verhindern gleichzeitig den Missbrauch zum Liegen.” Die Bänke wurden bei ihrer Installation kritisiert, allerdings wies die DB die Vorwürfe zurück.

Pro Bank liessen die Aktivist*innen je eine einzelne Armlehne stehen – dadurch können Nutzer*innen die darauf angewiesen sind sie weiter zum hinsetzen oder aufstehen nutzen. Da die Bänke recht lang sind, war dies problemlos möglich ohne dass dadurch der Schlafbereich zu kurz wird. Bei den Bänken in Treppennähe, die von Menschen mit eingeschränkter Mobilität bevorzugt genutzt werden, wurden die Armlehnen bevorzugt an den Bänken belassen.

"Bei unserer Aktion geht es nicht nur um die einzelnen Bänke. Es braucht ein Umdenken zur Frage wie wir als Gesellschaft mit Obdachlosigkeit umgehen wollen. Wir denken, dass nicht die Menschen, welche durch diese Architektur verdrängt werden sollen, das Problem sind. Es sind die Zustände in denen sie leben müssen, die falsch sind. Es ist das kapitalistische Wirtschaftssystem, das trotz Leerstand zu hohe Mieten und Wohnungsnot produziert, und das die Profitinteressen und das Wohlbefinden von Immobilieninhaber*innen und Konzernen über die Bedürfnisse der Menschen stellt.", führen die Aktivist*innen aus. “Wir fordern - weg mit dieser menschenfeindlichen Architektur! Wir fordern ein selbstbestimmtes Leben in Würde für alle wohnungslosen Menschen! Leerstand enteignen, Wohnraum für alle!”

pm